Die Neuropathologie beim Glioblastom
Die Diagnose Glioblastom basiert in der Neuropathologie auf einer umfassenden Untersuchung des entnommenen Gewebes. Die histologische Untersuchung anhand von Gewebeschnitten und molekularer Diagnostik ist der Goldstandard in der Diagnostik der Hirntumoren. Die Gewebeprobe des Glioblastoms wird histologisch und molekular untersucht, um eine präzise Diagnose zu stellen. Diese Aufgabe kommt der Neuropathologie zu, wobei die Anfertigung der Diagnose ein mehrstufiger Prozess ist.
Neuropathologische Diagnostik während der Operation
Zunächst wird häufig noch während der Operation Material zur sogenannten Schnellschnittdiagnostik eingesandt. Ziel ist es, wichtige orientierende Informationen zu erhalten, die ggf. das operative Vorgehen beeinflussen könnten. Dazu wird die Probe schockgefroren und ein Schnitt angefertigt, der mit einer einfachen Färbung untersucht wird. Zusätzliche Untersuchungen sind in dieser Phase nicht möglich, da sie zu zeitaufwendig sind und die Schnellschnittdiagnose dem Operateur innerhalb von 20 Minuten übermittelt werden muss. Aus diesem Grund kann mithilfe dieser Methode auch keine endgültige Diagnose gestellt werden.
Diagnosesicherung durch detaillierte Biopsie-Auswertung
Für die Diagnosesicherung wird weiteres Tumorgewebe, das bei der Operation entfernt wurde, ebenfalls an die Neuropathologie gesandt. Diese Proben werden fixiert, geschnitten und mit zahlreichen Spezialfärbungen untersucht. Dazu gehört auch die sogenannte Immunhistochemie, bei der man spezifische Strukturen im Tumorgewebe sichtbar machen kann, die für die diagnostische Einschätzung hochrelevant sind.
Molekulare Diagnostik zur Klassifizierung und ihre Bedeutung für die Therapie
Die aktuelle neuropathologische Diagnostik der Hirntumoren integriert auch die molekularen Befunde der Gewebeprobe. Inzwischen sind zahlreiche molekulare Eigenschaften (Marker) identifiziert worden, die die genaue Diagnose erlauben und zum Teil sogar das Ansprechen auf eine spezifische Therapie vorhersagen lassen. Ein Beispiel für solche molekularen Marker sind Mutationen: Veränderungen des Erbguts (DNA) in Abschnitten, die als Bauplan für bestimmte Eiweiße dienen (Gene). Beispielsweise treten Mutationen in dem Gen für das wichtige Stoffwechselenzym „Isocitrat-Dehydrogenase“ (IDH) in anderen Hirntumoren wie den Astrozytomen und Oligodendrogliomen auf, jedoch nie in Glioblastomen. Eine IDH-Mutation ist meist mit einer besseren Prognose vergesellschaftet und ist v. a. bei jüngeren Patienten zu finden. Bei Patienten über 60 Jahren liegt häufig keine IDH-Mutation vor, was man als „IDH-Wildtyp“ bezeichnet.
Ein anderer Marker ist die Methylguanin-DNA-Methyltransferase (MGMT). Es handelt sich dabei um einen Reparaturfaktor. Das Ziel der Strahlen- und Chemotherapie ist es, Schäden in den Tumorzellen hervorzurufen, die den Tumor am Wachstum hindern, bzw. Tumorzellen zu zerstören. Werden diese beabsichtigten Schäden am Erbgut vom Tumor mithilfe der MGMT repariert, ist die Therapie oft weniger erfolgreich. Kann der Tumor aber die Schäden wegen fehlender bzw. funktionsuntüchtiger MGMT (sogenannter methylierter MGMT) nicht reparieren, ist die Therapie meist erfolgreicher. Die Untersuchung des MGMT-Gens ermöglicht daher eine Abschätzung des Ansprechens auf die Folgetherapie und kann möglicherweise auch die Wahl der Therapie beeinflussen. Außerdem kann das Ergebnis der MGMT-Untersuchungen auch eine Aussage zur Prognose erlauben.
Endgültige Diagnose
Es kann einige Zeit dauern, bis das Ergebnis aus der Neuropathologie vorliegt. Mit Auswertung der Glioblastom-Biopsie steht die Diagnose, z. B. „Glioblastom, IDH-Wildtyp, ZNS WHO Grad 4“, inklusive der entsprechenden neuropathologischen Klassifizierung der Bösartigkeit. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterteilt die Hirntumoren je nach Grad der Bösartigkeit in vier Gruppen (WHO-Grad 1-4).