Interview mit einem Glioblastom-Patienten

Interview mit einem Patienten zur Diagnose Glioblastom

Wie hat sich der Tumor bemerkbar gemacht?

Aufgefallen sind mir anfangs geringe, aber ungewöhnliche Koordinations- und Orientierungsprobleme, sodass ich zunächst, aufgrund gewisser familiärer Vorbelastungen, einen leichten Schlaganfall vermutet habe. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich zufällig in München aufgehalten und noch am Tag der Beschwerden die Notaufnahme eines Krankenhauses aufgesucht.

Wie sind Sie mit der Diagnose umgegangen?

Ich habe versucht, die Diagnose anzunehmen und den inneren Widerstand zu vermeiden. Ich habe nicht mit dem Schicksal gehadert oder mir Selbstvorwürfe gemacht. Wichtig war mir ein offener Umgang mit der Krankheit gegenüber meinem sozialen Umfeld.

Was hat Ihnen beim Umgang mit der Diagnose geholfen?

Hilfreich für die Bewältigung war für mich zunächst eine sehr gute, klare, verständliche Aufklärung zum Charakter der Erkrankung und zum Weg der Behandlung mit der Möglichkeit der Einbindung meiner Angehörigen. Außerdem hat mir das sehr umfangreiche Gesprächsangebot, für den Fall des Auftretens von Fragen und Problemen, geholfen. Besonders wichtig war mir dabei das große Verständnis für die Probleme im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Krankheit auf die berufliche Situation und die Zukunft. Darüber hinaus hat es mir sehr geholfen, in ein ausgedehntes soziales Netz eingebunden zu sein und die Möglichkeit zu haben, viele Gespräche zu führen und viel ehrliche Empathie sowie praktische Hilfe zu erfahren. Eine intensive religiöse Rückbindung und die damit verbundene seelsorgliche Begleitung in Verbindung mit Gesprächen, die mich in meinen persönlichen Anliegen und Sorgen (berufliche Zukunft und Unternehmungen) während der Krankheit begleiten, empfand ich als sehr hilfreich. Gute Regelungen für meinen beruflichen Ausfall, die mir die Sorge nahmen, dass Kollegen über die Maßen durch meinen Ausfall belastet werden, waren ebenfalls wichtig. Für mich persönlich war die überraschend schnelle Möglichkeit, sportliche Tätigkeiten wieder aufnehmen zu können (Joggen, Radfahren, Wandern), sehr förderlich, da es meinem Bewegungsbedürfnis sehr entgegenkam und meiner körperlichen und psychischen Gesundung gut tat. Nicht zuletzt war die überraschende Eröffnung von unerwarteten positiven Lebensaspekten im Zusammenhang mit der Erkrankung und deren Behandlung sehr hilfreich für mich: Während des Aufenthalts in München habe ich die Zeit der ambulanten Bestrahlung bei meiner Tochter verbracht und konnte so sehr viel Zeit mit meinen schon erwachsenen Kindern und dem gerade geborenen Enkelkind (die Geburt war zwei Monate vor der Diagnose) verbringen sowie zahlreiche Besuche von Freunden empfangen, was ohne Tumor ausgeschlossen gewesen wäre.

Hatten Sie Kontakt mit Psychologen?

Psychologischen Kontakt im Rahmen eines Regelangebotes hatte ich nur während meines Aufenthaltes in der Rehaklinik. Diese Gespräche bestärkten mich in der Art und Weise meines Umgangs mit der Krankheit.

Wie ging Ihr Alltag mit der Erkrankung weiter, inwieweit waren Sie eingeschränkt?

Zunächst habe ich die erste OP sehr gut überstanden und konnte auch nach der anschließenden kombinierten Nachbehandlung, die ich überraschend gut vertragen habe, einen Versuch der Wiedereingliederung in den Beruf wagen. Diese Wiedereingliederung musste dann leider infolge einer notwendigen zweiten OP aufgrund eines Rezidivs abgebrochen werden. Anschließend war es leider nicht mehr möglich, berufstätig zu sein. Trotz allem fühle ich momentan nur eine geringe Einschränkung der Lebensqualität und habe kaum körperliche und nur geringe sensomotorische Schwächen. Mir fällt eine etwas verminderte Konzentrations-, Orientierungs-, Koordinations- und Merkfähigkeit auf. Außerdem habe ich einen deutlich erhöhten Schlafbedarf.

Was würden Sie anderen Patientinnen und Patienten aus Ihrer Erfahrung heraus empfehlen?

Ich würde anderen Betroffenen empfehlen, die Diagnose anzunehmen und die Krankheit möglichst ins Leben zu integrieren. Man sollte stets versuchen, positive Aspekte, die sich oft im Rahmen einer Erkrankung auftun, zu erkunden und zu schätzen. In Zeiten der Gesundheit empfehle ich darüber hinaus, viel in den Aufbau von sozialen Netzen und Beziehungen zu investieren und später in der Erkrankung ein vertrauensvolles Verhältnis zu den behandelnden Ärztinnen und Ärzten aufzubauen. Aus meiner Sicht sollten grundsätzliche Zweifel an der ärztlichen Kunst und ein „Hopping“ von Arzt zu Arzt oder von Behandlungsform zu Behandlungsform vermieden werden, um auch eine mögliche Verunsicherung zu vermeiden. Allerdings sollte man stets alle Fragen stellen und auf plausible Antworten drängen sowie angebotene psychologische und ggf. seelsorgliche Hilfen in Anspruch nehmen.
Mann im dunklen Mantel von hinten gegen den blauen Himmel fotografiert

Interview mit einem Glioblastompatienten

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